Das Puzzle-Genre mit seinen abertausenden verfügbaren Titeln erinnert hin und wieder an die Muschelsuche bei einem Spaziergang am Strand: Während einem die inhaltslosen Kopien der Schätze aus Kindheitstagen vor die Füße gespült werden, braucht es oft ein gutes Auge und den Willen tiefer zu gehen, um abseits der seichten Gewässer auf eine Perle zu stoßen. Die Entwickler des Studios Draknek&Friends haben sich in den letzten acht Jahren mit der Entwicklung solch spielerischer Perlen einen Namen gemacht und ihr jüngster Titel A Monsters Expedition, der im vergangenen Jahr für den PC veröffentlicht wurde, ist jetzt auch auf der Nintendo Switch verfügbar. Zeit sich die Sache für euch einmal genauer anzusehen.
Wo sind all die Menschen hin?
In einer weit entfernten Zukunft ist die Menschheit vom Antlitz der Erde verschwunden. Die mysteriösen Umstände ihres Verschwindens beschäftigen die Monster als nunmehr dominante Lebensform auf dem Planeten sehr. Und so verwenden sie viel Energie darauf, die Relikte unserer Zeit auszugraben, sie zu erforschen und in Museen für andere wissbegierige Monster auszustellen. In der Rolle eines dieser neugierigen Monster besucht ihr nun eben eines dieser Museen, das sich, anders als zu unserer Zeit, unter freiem Himmel über mehrere hundert kleine Inseln erstreckt.
Wie bei Puzzle-Spielen üblich, tritt die Handlung zugunsten der Rätsel weitestgehend in den Hintergrund und bietet nur einen Rahmen, damit ihr wisst, warum ihr in dem Spiel überhaupt auf den Inseln unterwegs seid. Trotzdem könnt ihr in den Beschreibungen der von euch gefundenen Ausstellungsstücke immer mal wieder kurze Hinweise zur zukünftigen Geschichte unserer Spezies finden. Ob ihr die Texte aber lest oder nicht, ist komplett euch überlassen. Auf das Spiel selber haben sie keinen Einfluss.
Laufen, umschubsen, rollen und das Ganze noch einmal
Ähnlich wie die Handlung, ist auch das Spielprinzip schnell erklärt: Per Control-Stick steuert ihr euer Monster waagerecht und senkrecht über die Inseln, die aus Feldern mit einer festen Größe bestehen. Lauft ihr gegen einen Baum, fällt dieser recht unspektakulär um und wird zu einem Stamm, den ihr an seiner Längsseite rollen und an seiner Querseite aufstellen und wieder umkippen könnt. Außerdem könnt ihr mit der X-Taste eure aktuell besuchte Insel wieder in ihren Ursprungszustand zurückversetzen (ohne dabei andere, später besuchte Inseln zu beeinflussen) und mit der B-Taste alle Aktionen (inklusive dem Zurücksetzen der Insel) schrittweise rückgängig machen.
Ziel ist es, einen oder mehrere Baumstämme so ins Wasser zu bugsieren, dass sie der Länge nach eine Brücke zur nächsten Insel bilden. Das liest sich einfach und wirkt am Anfang beinahe banal, während ihr die Grundlagen der Steuerung auf den ersten Inseln, frei von einer Anleitung oder einem Tutorial, herausfindet. Und nur der Vollständigkeit halber muss auch erwähnt werden, dass A Monster’s Expedition das Rad innerhalb des Puzzle-Genres nicht neu erfindet. Trotzdem wird schon nach kurzer Zeit klar, mit wie viel Finesse die Entwickler in diesem Titel am Werk waren.
Das ist immer mehr und mehr im Meer
Nachdem ihr die ersten Inseln in linearer Reihenfolge gemeistert habt, bietet euch das Spiel schon nach kurzer Zeit regelmäßig Wege zu mehreren Nachbarinseln auf einmal an, sodass sich das Insel-Netzwerk immer weiter verzweigt. Das ist auch ganz gut so, weil einige der Rätsel im späteren Verlauf es wirklich in sich haben und das Spiel euch keine Hilfe-Funktion anbietet. Durch die alternativen Wege habt ihr aber immer wieder die Möglichkeit, das “Museum” an einer anderen Stelle weiter zu erforschen, wenn ihr einmal festhängt. Ein aus Briefkästen bestehendes Schnellreise-System hilft euch dabei ungemein, denn nach einigen Stunden ist das Inselreich zu einer beachtlichen und leicht unübersichtlichen Größe herangewachsen. Dank der Möglichkeit, während der Schnellreise stufenlos in der Weltkarte rein- und rauszuzoomen und einigen kleinen Markierungen, die euch zeigen, wo es für euch weitergehen kann, geht der Überblick aber nie vollends verloren.
Dass es während der Erkundung der über 600 (!) Inseln nie langweilig wird, liegt an zwei Dingen: Dem großartigen Gamedesign und den überall auffindbaren Exponaten und Freunden. Den Rätseln zuliebe limitiert das Design des Spiels die Möglichkeiten, wie euer Monster und die Baumstämme mit- und untereinander interagieren können ziemlich streng. Aber trotz oder vielleicht auch gerade wegen dieser Einschränkungen, gelingt es dem Spiel stets die Balance zwischen fordernden Rätseln und der belohnenden Erkundung eines Gebietes zu halten. Die zunehmend kniffligen Rätsel werden immer wieder von Passagen mit leichteren Inseln unterbrochen, sodass jeder gefühlte Erfolg nach dem Knacken einer besonders schweren Nuss noch ein paar kurze Inseln lang anhalten kann. Hinzu kommt, dass euch während des ganzen Spiels an keiner Stelle und zu keiner Zeit irgendein Druck gemacht wird. Es gibt keine Zeitvorgaben, keine begrenzte Anzahl an Neuversuchen und kaum Wege, die ihr zwingend beschreiten müsst. Von der Grafik über den Soundtrack bis zu den liebevoll gestalteten Animationen erinnert alles an einen gemütlichen, wenn auch leicht kuriosen Bummel durch einen Park oder eben ein Museum. Gerade zu diesem Eindruck tragen auch die vielen Ausstellungsstücke bei, die mit auf Plaketten gedruckten, kurzen Erklärungen versehen wurden. Die Monster haben sich diese Erklärungen aus dem Kontext zusammengereimt, ähnlich wie wir Menschen es heute bei prähistorischen Funden tun. Da wird ein Hometrainer zum Wäscheständer, den die Menschen zwei Mal im Jahr leer räumen und benutzen, um Energie zu tanken, ein Goldfisch-Glas zum Observatorium für sozial engagierte Fische, und Gebäck eine Ursache für einen Bürgerkrieg, der in England in 450 Jahren stattfinden wird. Immer wieder trefft ihr auf derart humorvoll bezeichnete Fundstücke, die sich mit unserer (Pop-)Kultur befassen und euch ein Schmunzeln entlocken können.
So verfliegt die Spielzeit, die irgendwo zwischen 14 und 40 Stunden liegt. Je nachdem, ob ihr den kürzesten Weg durch das Museum sucht, oder so viele Exponate und Freunde wie möglich finden möchtet.
So rund wie ein rollender Baumstamm
Technisch lässt A Monster’s Expedition keine Wünsche offen. Das mag zunächst verwunderlich klingen, da viele grafische Elemente immer und immer wieder verwendet und je nach Thema der aktuellen Insel nur ein wenig umgefärbt werden. Dennoch fällt auf, wie sauber das Spiel auch in für die Hardware kritischen Momenten, etwa beim stufenlosen Zoomen auf der Weltkarte, arbeitet. Eine Leistung, die bei Spielen dieser Art nicht immer gegeben ist. Auch die Animationen eures eigentlich recht einfach gestalteten Monsters können sich sehen lassen und schaffen es, dem Charakter ein wenig Leben einzuhauchen. Egal ob er seine Füße ins Wasser hält, einen gefundenen Freund umarmt oder an einem Stand einen Kaffee trinkt. All das ist nett anzusehen, obwohl es für das Spiel selber keine Bedeutung hat.
Für den Soundtrack wurde ein System implementiert, das die Fülle der akustischen Untermalung an den Grad eurer Aktivitäten auf dem Bildschirm anpasst. Steht ihr einfach nur still, etwa weil ihr gerade über die Lösung eines Rätsels nachdenkt, ist auch von der ruhigen Klavieruntermalung, die entfernt an den Soundtrack des zentralen Hyrule in Zelda: Breath of the Wild erinnert, nichts zu hören. Erst wenn ihr euch bewegt und aktiv an der Lösung der Rätsel arbeitet, wird der Soundtrack zunehmend besser hörbar. Dabei verzichtet das Spiel aber darauf, übertrieben laut oder episch klingen zu wollen, was es zu einem dieser Titel macht, die ihr perfekt in Gesellschaft auf der Couch spielen könnt, ohne jemanden beispielsweise beim Fernsehen zu stören.
Mit jedem Erreichen einer neuen Insel speichert das Spiel automatisch den aktuellen Stand eures Fortschritts ab und die Ladezeiten beim Start des Spiels sind angenehm, wenn auch nicht bemerkenswert, schnell.
Fazit:
A Monster’s Expedition erfindet das Puzzle-Spiel zwar nicht neu, vereinigt aber mit Bravour einige der besten Elemente des Genres in einem liebevoll designten Spiel. Die Rätsel sind durchdacht und schaffen eine beinahe perfekte Balance zwischen Schwierigkeitsgrad, Motivation und Entspannung. Die Grafik ist trotz einer gewissen stilistischen Redundanz ansprechend und dabei liebevoll animiert, während der Soundtrack das Geschehen auf dem Bildschirm entspannt untermalt.
Wer Denksport-Spiele mag (oder dem Genre immer mal gerne eine Chance geben wollte), kann bei dieser sprichwörtlichen Perle nichts falsch machen und jederzeit beruhigt zugreifen.
Wir danken Draknek&Friends für die Bereitstellung des Testmusters
Von uns getestet: Nintendo-Switch-Version