Merle Hokamp im FSV-Porträt: Nationalspielerin mit rasanter Entwicklung und prominenter Beratung - FSV Gütersloh 2009 (2024)

Wäre es nach Merle Hokamp gegangen, würde sie am 19. Mai nicht mit dem FSV Gütersloh gegen Bayern München II auflaufen. Sie hatte andere Pläne und wollte an diesem Wochenende am liebsten ein Spiel in Schweden bestreiten. Dort läuft seit dem 5. Mai die U17-Europameisterschaft, am 18. Mai findet das Finale statt. Doch Deutschland, mit acht Titeln der Rekordsieger, verpasste die Qualifikation für die Endrunde der Top-8 durch eine 1:2-Niederlage am 24. März in Garbsen. Merle Hokamp bestritt in dieser Partie ihr neuntes U17-Länderspiel, als Innenverteidigerin war sie eine feste Größe im Team von DFB-Trainerin Sabine Loderer. „Ich habe oft davon geträumt“, gibt die 17-jährige Gütersloherin zu, das Ausscheiden noch lange im Kopf gehabt zu haben: „Es war eine schwere Zeit, darüber hinwegzukommen.“ Die knappe Niederlage gegen Europameister Frankreich („Wir hatten die Qualität, aber das Glück war nicht auf unserer Seite“) war umso bitterer, als Deutschland damit auch der Weg zur U17-Weltmeisterschaft verbaut war, die Ende Oktober in der Dominikanischen Republik stattfindet. Doch trotz dieser Enttäuschung kann das aktuell größte Talent des Gütersloher Fußballs mit Stolz auf eine überaus positive Entwicklung und einen erstaunlichen Karriereweg zurückblicken.

Als Merle Hokamp im Sommer 2023 als 16-Jährige zum Frauen-Zweitligisten FSV Gütersloh kam, hatte sie zwar schon drei offizielle Länderspiele mit den deutschen U15- und fünf mit den U16-Juniorinnen bestritten. Vereinsmäßig war das Mädchen, das daheim im Garten mit Freunden und ihren älteren Brüdern Jan und Malte begeistert „gebolzt“ hatte, aber immer nur in Jungenteams aktiv gewesen. 2013 startete sie beim GTV, ab 2014 spielte sie beim SV Spexard und 2021 wechselte sie zum SC Wiedenbrück. Über den Kreisstützpunkt, wo unter anderem Markus Graskamp ihr Trainer war, führte der Weg in die Westfalenauswahl. Hier fiel sie den DFB-Beobachtern auf, erhielt die Einladung zu einem Perspektivlehrgang und anschließend von Trainerin Bettina Wiegmann die Nominierung für einen U15-Kaderlehrgang mit einem Länderspiel in Belgien. Zum Trainerstab gehörte damals übrigens Marie-Louise Eta, inzwischen Co-Trainerin beim Champions-League-Teilnehmer Union Berlin. „Ich hätte nicht damit gerechnet, dass alles so schnell geht“, staunt Merle Hokamp immer noch über die rasante Entwicklung. Die führte sie nahtlos ins U16-Nationalteam, wo Fritzy Kromp und Julia Simic – heute beim FSV-Ligakonkurrenten Eintracht Frankfurt II tätig – ihre Trainerinnen wurden und sie zur Kapitänin machten.

Schon 2022 stand ein Wechsel zum FSV im Raum, auch das FLVW-Internat in Kaiserau buhlte um sie. Doch Merle Hokamp traf zusammen mit ihren Eltern die Entscheidung, zunächst alles beim Alten zu belassen. Sie spielte also weiter für den SC Wiedenbrück in der C-Junioren-Westfalenliga und ging weiter auf das Städtische Gymnasium in Gütersloh. Hier strebt sie mit den Leistungskursen Englisch und Sowi für 2025 das Abitur an. Deswegen folgte sie auch nicht dem Lockruf von Fritzy Kromp, die sie gerne nach Frankfurt geholt hätte, sondern wählte den FSV als heimatlichen Einstieg in den Frauenfußball.

Dort setzten Britta Hainke und Sammy Messalkhi von Anfang an auf den Youngster in ihrem Kader. Gleich im ersten Spiel, dem 2:0-Sieg über Frankfurt II, stand die frühere Offensivspielerin in der Innenverteidigung, wohin Fitzy Kromp sie in der Natio verschoben hatte. Inzwischen hat Merle Hokamp 16 Zweitligapartien bestritten, einige verpasste sie wegen Krankheit oder DFB-Maßnahmen. „Ich hatte nicht erwartet, dass ich gleich im ersten Jahr so viele Einsätze bekomme“, äußert die Spielerin bescheiden. Während ihr das höhere Tempo keine Probleme bereitete, musste sie lernen, sich auf die andere Körperlichkeit im Frauenfußball einzustellen. Inzwischen aber hat sie auch hier einen Reifeprozess vollzogen. Heißt: Merle Hokamp hält in Zweikämpfen und dagegen und lässt sich nichts gefallen. Dass sie als Verteidigerin bisher ohne Gelbe Karte blieb, spricht für die Spielstärke. Viele Beobachter beeindruckt sie auch mit der Ruhe und Abgeklärtheit in ihren Aktionen. Und immer öfter traut sie sich, ihre Qualitäten auch für Vorstöße in die gegnerische Hälfte zu nutzen. Gewachsen ist die Intensität der Spiele. Eine Erfahrung: „Man hat nachher schwerere Beine.“ Mit der physischen Belastung von Ligaspielen und DFB-Lehrgängen sowie der auf vier wöchentliche Einheiten angestiegenen Trainingshäufigkeit kommt die Gymnasiastin gleichwohl gut zurecht. Dazu trägt wohl auch bei, dass sie am eigentlich trainingsfreien Dienstag noch zusätzliche Kräftigungsübungen mit einem Personal Trainer in Wiedenbrück absolviert.

Ein hoher Aufwand, gewiss. Aber Merle Hokamp hat auch ein hohes Ziel: „Ich will auf jeden Fall mal in der Bundesliga spielen.“ Und hinterher schiebt sie, in typisch zurückhaltender Tonlage: „Ein ganz großer Traum ist es, mal in Barcelona zu spielen.“ Die 17-Jährige wäre bereit, gerade angesichts der boomenden Entwicklung im Frauenfußball, (fast) alles auf eine Karte zu setzen und eine Profilaufbahn einzuschlagen. „Mir geht es dabei nichts ums Geld, sondern weil es mir Spaß macht. Ich spiele ja nicht ohne Grund Fußball. Ich tue das, weil ich diesen Sport einfach liebe.“ Früher schwärmte sie sehr für Lena Oberdorf („Ihr präsenter Spielstil imponiert mir“), aber als richtiges Idol mag sie keine Fußballerin bezeichnen.

Dabei hat sie seit kurzem eine Große der Zunft an ihrer Seite. Lena Goeßling (37), Olympiasiegerin und 106-fache Nationalspielerin, berät das Talent in ihrer Funktion als Mitarbeiterin von „Sports360“. „Sie kennt das Fußballgeschäft und hat Erfahrung in Sachen Verträgen“, nennt Merle Hokamp als Grund, warum sie und ihre Eltern Claudia und Ernst sich für die Zusammenarbeit mit Goeßling, deren Karriere einst beim FC Gütersloh begann, entschieden haben. „Außerdem unterstützt mich die Agentur auch in anderen Dingen, etwa in Sachen Ernährung oder Athletiktraining.“

Vorerst aber gilt es, die Saison mit dem FSV Gütersloh positiv zu Ende zu bringen. Neben der maximalen Punkteausbeute geht es ihr auch darum, „die Top-Mannschaften zu ärgern und zu zeigen, wer wir sind.“ Nach dem Bayern-Spiel steht noch die Partie beim Hamburger SV auf dem Programm. Damit ist die Saison für Merle Hokamp aber noch nicht zu Ende. Drei Tage nach dem letzten Ligaspiel geht es für sie nach Frankfurt zum DFB. Läuft alles wie geplant, bestreitet die Gütersloherin am 2. Juni in der Schweiz ihr zehntes U17-Länderspiel für Deutschland. Und kaum jemand zweifelt daran, dass dies nicht ihr letzter Einsatz im Nationaltrikot bleiben wird.

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